Der Krieg in der Ukraine und seine Auswirkungen auf die Landwirtschaft
Die aktuelle Situation in der Ukraine
Die Schiffe in den Häfen am Schwarzen und Asowschen Meer liegen still. Der Krieg in der Ukraine hat den Getreideexport so gut wie lahmgelegt, aber einen Mangel an „Ware“ gibt es nicht, im Gegenteil.
Aufgrund der humusreichen Schwarzerdeböden und dem günstigen Klima im Süd- und Zentralbereich gehört die Ukraine zu den sechs größten Getreide-Produzenten weltweit. Jährlich wurden circa 18 mio. Tonnen ins Ausland exportiert - im Vergleich zu den USA mit circa 27 Mio. Tonnen eine erhebliche Menge. Dieser Exportausfall ist nicht nur für die ukrainischen Landwirte und die Wirtschaft fatal, sondern auch für die Hauptabnehmer wie Nordafrika und den Nahen Osten ein großes Problem. Die fehlenden Lieferungen und die weiter steigenden Getreidepreise verschärfen die bereits bestehenden Hungersnöte noch mehr.
Die sonst genutzten Häfen in der Ukraine sind derzeit entweder besetzt, zerstört oder mit ebenfalls festsitzenden ausländischen Schiffen blockiert, sodass der Export über dem Seeweg fast unmöglich ist. Es gibt auch anderweitige Möglichkeiten, das Getreide aus dem Land zu transportieren. Dazu zählen beispielsweise per Zug über Rumänien zu ausländischen Schwarzmeerhäfen oder weiter auf dem Landweg nach Westen und anschließend per Binnenschiff über die Häfen der Donau. Jedoch ist der Transport per Zug sehr langwierig und in deutlich geringeren Mengen möglich (etwa nur 10 % des früheren Exports per Schiff).
Wie geht es in den kommenden Monaten für die ukrainischen Landwirte weiter?
Es wird angenommen, dass die Ukraine in diesem Jahr zwar in der Lage sein wird, ihre Bevölkerung mit Lebensmitteln zu versorgen, aber generell mit deutlichen Ertragsbußen auf den Feldern rechnen muss, die sich auch noch auf die Folgejahre auswirken könnten. Auch ein Mangel an Milch- und Fleischerzeugnissen ist durchaus denkbar, da bereits jetzt viele Landwirte durch fehlendes Futter, Tierärzte und wiederkehrende Stromausfälle eine hohe Sterberate bei den Nutztieren verzeichnen.
Durch den Exportausfall fehlt den Landwirten Geld für Düngemittel und Treibstoff, welche zusätzlich noch deutlich steigende Preise aufweisen. Dazu gibt es noch weitere Probleme, mit denen die Landwirte zu kämpfen haben. Sie müssen sich zurzeit die Frage stellen, ob riskiert werden soll, die Felder zu bestellen und ob im Verlaufe des Jahres die Ernte überhaupt eingefahren werden kann. Die Probleme liegen dabei schon ganz am Anfang. Teilweise werden den Landwirten wichtige Maschinen abgenommen und auch Mitarbeiter stehen ihnen kaum zu Verfügung, da diese entweder von der Armee eingezogen wurden, geflüchtet sind oder nicht bezahlt werden können. Wenn dann die Entscheidung getroffen wurde, auf's Feld zu fahren, muss die nächste Hürde überwunden werden. Denn Minen und Blindgänger sind keine Seltenheit und können zur Lebensgefahr werden.
Vorausgesetzt, alle Widrigkeiten konnten überwunden werden und das Getreide ist trotz fehlendem Pflanzenschutz voll entwickelt und reif zur Ernte, stellt sich nun die Frage: wohin damit? Zumal die Lager noch voll mit der ungenutzten Ernte des letzten Jahres sind und die Ausfuhr im Hafen weiterhin nicht möglich ist.
Versorgungssicherheit in Deutschland
In Deutschland muss sich die Bevölkerung weniger Sorgen um fehlendes Importgetreide oder Lebensmittelengpässe machen. „Aus der gegenwärtigen furchtbaren Situation der Kriegshandlungen in der Ukraine eine unmittelbare Versorgungskrise abzuleiten, würde viel zu weit übers Ziel hinausschießen“, bestätigt Martin Banse, Agrarexperte und Chef des Thünen-Instituts für Marktanalyse Lebensmittel (Quelle). Kurzzeitige Versorgungslücken mit bestimmten Lebensmitteln könnten zwar eventuell auftreten, dabei würde es sich aber nicht um lebensnotwendige Nahrungsmittel handeln. Etwaige Schwierigkeiten bereiten lediglich vermeidbare Hamsterkäufe, die in der letzten Zeit wieder häufiger geworden sind. Deutschland ist jedoch durchaus in der Lage, sich mit selbstangebautem Getreide und Alternativprodukten selbst zu versorgen.
Klima- und Artenschutz behält Priorität
Trotz kriegsbedingter Krise sollte der Klima- und Naturschutz dennoch nicht außer Acht gelassen werden. Noch intensiver zu wirtschaften, wäre zum derzeitigen Stand nicht nötig und würde die ökologischen Probleme nur größer machen. Dabei ist ein funktionierendes Ökosystem von großer Bedeutung für die Lebensmittelversorgung und spielt auch in der bestehenden Klimakrise eine wichtige Rolle. Eine Ausnahme wäre laut CDU-Agrarexperte Albert Stegemann im Falle einer physischen Verknappungssituation, die Möglichkeit, stillgelegte Flächen für den Artenschutz doch in die Produktion einzubeziehen. (Quelle)
Stark steigende Erzeugerkosten
Die Hersteller geben nun die erhöhten Energie- und Beschaffungskosten an die Verbraucher weiter, was sich durch die deutlich gestiegenen Preise und die Inflationsrate bemerkbar macht. Auch in der Landwirtschaft sind die Preise bei der Produktion stark gestiegen, wie Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, verdeutlicht: "Wenn man das jetzt alles aufaddiert, summiert, dann gehen wir davon aus, dass sich die Erzeugungskosten für den Anbau von Ackerkulturen um ein Drittel erhöht haben." (Quelle)
Dünger und Erdgas aus Russland
Russland nimmt einen großen Teil der weltweiten Düngemittelproduktion ein und ist somit ein wichtiger Exporteur, auch für Deutschland. Aber die hohen Düngepreise sind nicht nur auf den fehlenden Import zurückzuführen, sondern auch auf die hohen Produktionskosten aufgrund der steigenden Energiepreise: „Erdgas ist sowohl als Energiequelle wie als Rohstoff essenziell bei der Ammoniakherstellung, dem Grundstoff für die allermeisten Stickstoff-Düngemittel“, laut Sven Hartmann, Leiter des Fachbereichs Pflanzenernährung beim Industrieverband Agrar in Frankfurt (Quelle). Dadurch nimmt Russland eine Doppelposition ein – sowohl als bedeutsamer Exporteur von Erdgas als auch von Düngemitteln per se. Momentan ist jedoch noch nicht von einem Mangel an Düngemittel die Rede.
Wie kannst du als Landwirt oder Lohnunternehmer darauf reagieren?
Viele Möglichkeiten auf die Preisentwicklungen zu reagieren gibt es leider nicht. Entweder müssen die hohen Preise für den gewohnten Einkauf einkalkuliert werden oder die Art und Weise des Düngemittel-Einsatzes muss geändert werden. Hierbei ist es sinnvoll, seine Ressourcen mit Bedacht einzusetzen und somit Dünger einzusparen. Auch die Umstellung von Mineraldünger auf organischen Dünger macht in der derzeitigen Situation Sinn.
Von der Politik sind bereits erste Maßnahmen eingeleitet worden, um Verbraucher zu entlasten. Ab Juni bis August 2022 sollen die Energiesteuern pro Liter für Diesel um 14,04 Cent und für Benzin um 29,55 Cent herabgesetzt werden. Außerdem möchte das BMEL sich dafür einsetzen, dass der weltweite Handel weiterhin möglich ist und die Märkte offenbleiben, um weiteren Preissteigerungen entgegenzuwirken.
Für 2022 wurde nun eine Ausnahmeregelung festgelegt, die den Aufwuchs auf ökologischen Vorrangflächen der Kategorien “Brache” und “Zwischenfrüchte” für den Tierfutteranbau freigibt. Somit können sonst ungenutzte Flächen einen Teil zu Futterversorgung der Nutztiere beitragen. Ein weiterer Vorschlag ist, die bestehende Eiweißpflanzen-Strategie auszubauen und finanziell zu stärken, um Deutschland unabhängig bei der Versorgung mit GVO-freien Eiweißfuttermitteln zu machen. Auch sollen die bestehenden Programme zur Förderung von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien in der Landwirtschaft entbürokratisiert und attraktiver gemacht werden. Dadurch erhofft man sich, dass die Landwirtschaft von fossilen Energien unabhängiger wird. Generell möchte das BMEL die Diskussion über “Krisenmaßnahmen in der EU-Kommission" im Hinblick auf eine zielgerichtete Unterstützung der Landwirte begleiten.
Trotz alldem bleibt uns momentan nur der Blick nach vorne... und in unseren Blog.
In unserem Beitrag vom 18. März „Dieselpreis so hoch wie nie - Was du jetzt bei der Kalkulation und Preisgestaltung beachten solltest“ könnt ihr euch hilfreiche Tipps abholen.
Aktueller Dieselpreis: https://www.avd.de/kraftstoff/benzinpreise-in-europa/preise-fuer-dieselkraftstoff
Aktueller Weizenpreis: https://www.finanzen.net/rohstoffe/weizenpreis